Kaum war er dem Tod von der Schippe gesprungen, zeigte er dem Leben und allen potentiellen Feinden schon wieder die Zähne. Diese Zähne waren so beeindruckend, daß ich ihn nur noch mit größtem Respekt angefasst habe.

Er war ein kleiner Eichkater und wurde mir von Passanten gebracht. Mehr tot als lebendig lag er unter der Wärmelampe und wurde zunächst stündlich gefüttert, getränkt und natürlich mit Infusionslösung und Medikamenten versorgt. Ich habe ihn leicht sediert, ihn komplett durchgeröntgt und obendrein gründlich abgetastet. Außerdem habe ich so viele wie möglich von den Zecken aus seinem Fell geholt. … er war nämlich voll davon und sie waren im Sinne des Wortes dabei, ihn leerzusaufen.

Das Problem bei diesen kleinen Kerlchen: vom Gewicht her und von den tierartspezifischen Unterschieden konnte ich ihm nicht jede Arznei verabreichen. So ein Tröpfchen Sedativum kann nebenbei die Futteraufnahme erhöhen, das ist fein. Wenn es denn vertragen wird. Etliche Antiparasitika werden nicht so gut vertragen oder sind nicht fein genug zu dosieren. Manchmal ist weniger eben mehr … und so pflückte ich ihm die Zecken mit einer Pinzette aus dem Fell, sobald sie groß genug waren.

Eine seiner Vorderpfoten war gelähmt. Nachdem keine äußere Verletzung zu finden war, ging es wohl eher um ein stumpfes Trauma. Die schlimmste Möglichkeit war eine dauerhafte Lähmung. Damit wäre er nicht mehr wildbahntauglich. Um dieses Problem wollte ich mich erst kümmern, wenn die akute Lebensgefahr überstanden wäre. Denn der leere Magen und die Parasiten hätten ihn umgebracht.

Mein Netzwerk hat mich kompetent und schnell mit den notwendigen Informationen versorgt. So konnte ich die für Eichhörnchen üblichen Verletzungen und Erkrankungen ausschließen, dem kleinen Kerl schnell passendes Futter zurechtmachen und die Nährlösungen durch Handfestes ersetzen.

Er war am nächsten Tag schon deutlich sichtbar auf dem Weg der Besserung. Seine Vorderpfote konnte er schon ein kleines bisschen bewegen. Bei der Fütterung schaute er dann starr zur Seite und riß sein Mäulchen auf. Ich konnte seine unteren Schneidezähne in voller Länge bewundern. Sie waren lang genug, meine Finger komplett zu durchbohren.

Nun ja, die Botschaft war eindeutig. Und genauso eindeutig war, daß er noch nicht wieder in die Freiheit zurück konnte. Er musste also noch ein wenig mit mir ausharren. Aber ich konnte ihm jetzt eine Behausung mit ein paar Zweigen und der Möglichkeit zur freien Futteraufnahme geben. Seine Pfote wurde zusehends besser, und bald sah ich ihn das erste Mal ein Nüsslein richtig greifen. Er war wieder fit.

Ich richtete eine Futterstelle in einem meiner Bäume ein. Die akzeptierte er nicht. Stattdessen suchte er Bäume und Büsche in meinem Garten ab. Entweder hat er seinen Wunschbaum gesucht und bei mir nicht gefunden … oder er hat sein altes Revier mit seinen Eichhornkumpels gesucht.

Jedenfalls tat er dasselbe am nächsten Tag in der Nachbarschaft. Ich kam dazu und konnte mich überzeugen, daß er noch viel schneller geworden war. Und wieder drohte er … und verschwand. Natürlich nicht ohne eine kleine Wegzehrung in Form von Apfelstückchen und Nüssen.