In der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland ist der Tierschutz als Staatsziel festgeschrieben.
Demzufolge dürfen wirtschaftliche Interessen nicht als Begründung dafür dienen, tierquälerische Verhaltensweisen fortzuführen.

In der Brüsseler Erklärung wurde bereits 2010 erklärt, auf die chirurgische Kastration von Ferkeln ganz zu verzichten:

https://www.hvnord.de/infothek/branchen/lebensmittel-einzelhandel/tierwohl/gesamter-artikel/artikel/bruesseler-erklaerung-ende-der-ferkelkastration-bis-zum-1-januar-2018.html

Diese Erklärung ist immerhin im Bericht der Bundesregierung zur Ferkelkastration vom Dezember 2016 erwähnt worden: Zitat „Im Gegensatz zu den Erklärungen der Wirtschaft, die den vollständigen Verzicht auf die chirurgische Kastration zum Ziel haben, bleibt damit die chirurgische Kastration unter Betäubung weiter möglich.“

https://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/Tier/Tierschutz/Regierungsbericht-Ferkelkastration.pdf?__blob=publicationFile

In diesem Bericht sind die zum damaligen Zeitpunkt ausgewerteten Forschungsergebnisse gründlich aufgearbeitet worden.

So wurden verschiedene Fragen zur Ebermast, wirtschaftliche Fragen zu den Alternativen der Ferkelkastration, Marktfolgen etc. bewertet.

In Kurzform wäre die Ebermast ggf. mit einem niedrigeren Schlachtgewicht eine sofort umsetzbare, ökonomisch, ökologisch und sogar aus Tierschutz-Sicht überlegene Methode.

Ebermast ist anspruchsvoll: Trennung der Tiere nach Geschlechtern, unterschiedliches Fütterungsmanagement von Mastsauen und Mastebern, steigende Aggressivität und Kampfverhalten der Eber zum Mastende hin erfordern besondere Aufmerksamkeit gegenüber herkömmlicher Mast. Die notwendigen Umstellungen im Umgang mit den Tieren wären zeitnah und mit relativ wenig Aufwand machbar; allerdings gilt das nicht für alle Betriebe. Es scheint ein gewisses Nord-Süd-Gefälle zu geben: im Norden Deutschlands sind die vorhandenen Gegebenheiten für eine schnelle Umstellung auf Ebermast besser geeignet. Ebermast würde sich lohnen: Eber verwerten das Futter besser und haben einen höheren Muskelfleischanteil.

Aktuell wird aber das Fleisch von Ebern durch die Eberfleischmaske billiger angekauft, so daß mit der Ebermast verbundene Vorteile wie höherer Muskelfleischanteil und kürzere Mastdauer sich für den Mäster nicht auszahlen.

Die Gründe für die schlechte Bewertung von Eberfleisch durch die Schlacht- und Verarbeitungsindustrie liegen im Risiko von Ebergeruch und in der Prozesstauglichkeit des Eberfleisches. Eber haben ein anderes Fettsäuremuster: ihr Fett enthält deutlich mehr mehrfach ungesättigte Fettsäuren (PUFA) und ist weicher als das Fett von Sauen und Börgen. Damit ist es nicht so vielseitig zu verarbeiten.

Das Fettsäuremuster ist durch die Futterzusammensetzung modulierbar.

Das Risiko von Ebergeruch konnte man durch züchterische Maßnahmen bereits senken.

Durch die Fütterung lässt sich der Ebergeruch nicht verändern.
Ein Risiko für Ebergeruch liegt allerdings auch im Stress, dem die Tiere ausgesetzt werden (lange Transporte, Umgang am Schlachthof, Wartezeiten mit fremden Tieren am Schlachthof).
Das Fettsäuremuster ist aber durch Fütterung modulierbar.

Dem Tierschutzgedanken enstprechend sind die sinnvollen Forderungen hier:

1. Senken des Streßlevels für Tiere durch kürzere Transportstrecken zu den Schlachthöfen und stressreduzierendes Management an den Schlachthöfen
2. Fütterungsmethoden und Futterzusammensetzungen, die das Fettsäuremuster in die gewünschte Richtung modulieren, und ihre Bewertung für die menschliche Ernährung des so gewonnenen Fleisches
3. Geeignete Verarbeitungsverfahren und Rezepturen für das an mehrfach ungesättigten Fettsäuren reiche Eberfleisch und ihre Bewertung für die menschliche Ernährung
4. Kommunikation mit dem Verbraucher: die Tiere sind kleiner, damit sind ihre Rückenabschnitte und Schinken kleiner, aber durch den höheren Muskelfleischanteil und den höheren Anteil an mehrfach ungesättigten Fettsäuren eigentlich wertvoller

An dieser Stelle hätten wir dem Geist der Brüsseler Erklärung von 2010 nach, ein sinnvolles Ziel für das weitere Vorgehen in der Schweinemast erreicht. Nur ein weitgehender Verzicht auf Fleisch wäre noch tier(schutz)gerechter.

Die Ferkelkastration ist, wenn auch mit einer Übergangszeit, verzichtbar.
Die Ebermast ist eine ökonomisch und ökologisch sinnvolle und dem Tierschutz entsprechende Alternative zur Mast von Börgen. Tatsächlich steigt der Anteil der gemästeten Eber kontinuierlich in Deutschland.

Die ersten Handelsketten bieten Produkte mit Eberfleisch an.

Wozu also noch Ferkel kastrieren?

Richtig, die Ebermast ist nicht in allen Betrieben gleichermaßen umsetzbar … bitte lesen Sie im Teil 2, wie man dieses Problem angehen kann.