In Folge 1 schrieb ich, daß die hörbare Atmung bestimmter Hunderassen ein Zeichen des Leidens ist.

Warum leiden brachyzephale („kurzschnauzige“) Tiere?

Die „Innerei“ der Nase besteht aus Schleimhaut auf Knochenlamellen: sie filtert die Luft und sorgt für die Angleichung der Temperatur. Kalte Luft wird erwärmt, bevor sie durch die Luftröhre und Bronchien geht. Ohne dieses Gewebe würde Luft mit allem was sie mit sich bringt ungebremst in die Lunge rauschen. Die Folge wären ständige Lungenentzündungen durch Kälte oder Partikel.

Diese lebenswichtige Funktion wurde bei der Verkürzung des Oberkiefers nicht mit weggezüchtet. Folglich befindet sich viel Gewebe in viel zu wenig knöchernem Umbau. Wenn der vom Knochen umbaute Raum voll ist, passt kaum noch Luft hindurch. Schon normalgewichtige kurznasige Tiere können oft nicht normal leise atmen.

Bei Tieren mit zu kurzen Kiefern gibt es weitere Probleme in der Maulhöhle: die Zähne stellen sich quer, weil die Länge des Kieferknochens nicht mehr ausreicht. Häufig ist das Gaumensegel zu lang: die Tiere schnarchen.

Wenn obendrein die Nasenöffnungen zu klein geraten sind, wird es schlimmer. Wer sich die Bewegung der Nase bei der Atmung anschaut, sieht eine leichte Bewegung. Beim Einatmen werden die Nasenflügel leicht nach innen gezogen und beim Ausatmen leicht nach außen gedrückt. Zu klein geratene Nasenöffnungen können bei verstärktem Einatmen sogar zu einer Blockade des Luftwegs führen, so daß die Luft mit Gewalt durch die schmalen Spalte gezogen werden muss. Den gleichen Effekt erlebt man bei einer durch Schnupfen oder Allergie zugeschwollenen Nase.

Am schlimmsten wird es für übergewichtige Tiere. Fett lagert sich nicht nur da an, wo es bequem ist.
Außerdem haben diese Rassen ein höheres Risiko für weitere Atemwegsprobleme.
Betroffene Tiere können bei der kleinsten Anstrengung Erstickungsanfälle erleiden. In ihrer Panik schlagen und beißen sie um sich, sind also schwer transportier- und behandelbar. Selbst wenn die Tierarztpraxis rechtzeitig erreicht wird, sterben manche trotz korrekter Behandlung.

Was kann man tun?

Informationen vor dem Kauf sind zwar ratsam, aber nicht immer ganz einfach. Viele Tierärzte raten konsequent vom Kauf solcher Rassen ab. Würden diese Tiere nicht mehr gekauft, würden sie auch bald nicht mehr produziert.

Viele Verkäufer raten von derart kritischen Tierärzten ab. Sie wollen und müssen ja verkaufen. Manche Käufer fragen erst gar nicht, und häufig werden Tiere auch recht spontan gekauft.

Die Tiere können ja nichts dafür, sind sie einmal auf der Welt, muß man ihnen auch helfen. Manchmal ist diese Hilfe schwer.
Natürlich wollen die meisten Menschen ihren tierischen Begleiter besonders gut versorgen. Oft ist aber der Blick verstellt: die meisten Tierbesitzer erkennen Übergewicht an ihrem Tier nicht. Häufig sind auch die Menschen in der unmittelbaren Umgebung am Übergewicht des Tieres irgendwie beteiligt.
Wenn Sie nun schon einen solchen Hund haben, rate ich Ihnen: kontrollieren Sie das Gewicht des Hundes und halten Sie es im Normalbereich. Jeder Tierarzt kann Sie dazu beraten, genau wie jeder Tierphysiotherapeut, jeder Tierheilpraktiker, jeder Hundetrainer und sogar jeder Hundefriseur (ist übrigens egal ob männlich oder weiblich … und gegendert liest es sich furchtbar).
Ich betrachte es als kleinen Qualitätscheck: wer nicht die Wahrheit über das ihm vorgestellte Tier sagt, ist nicht nur „ein wenig konfliktscheu“, sondern kein guter Partner für die Arbeit an Ihrem Tier.

Manche Tierärzte bieten eine chirurgische Korrektur an, die sog. Brachyzephalen-Operation. Hier wird nach einer gründlichen Voruntersuchung das meist zu lang geratene Gaumensegel gekürzt und/oder die Nasenöffnung erweitert. Auch andere Probleme an den Atemwegen wie der Trachealkollaps, können chirurgisch verbessert werden. Die Operation kann Leben retten, verbessert das Leben deutlich, aber sie ist riskant und erfordert entsprechende Überwachung. Dementsprechend können voll ausgerüstete Tierkliniken mit hochqualifiziertem Personal diese Operationen anbieten und ziemlich sicher durchführen. Die Sicherheit, die volle Ausrüstung und gutes Personal bieten, hat natürlich einen Preis. Auch kostet sorgfältige Arbeit vor und bei der Operation Zeit. Sinkt der Preis, steigt das Risiko … . Ihr Haustierarzt kennt die Tierkliniken in seiner und damit auch Ihrer Umgebung und hat gute Gründe für seine Empfehlungen.

Besser wäre es, nicht die Operation durchzuführen, sondern sie überflüssig zu machen. Und so bemüht man sich in Züchterkreisen wieder um eine Verbesserung: Retro-Möpse haben wieder Schnauzen, auch Perserkatzen werden seit geraumer Zeit wieder „mit Nase“ gezüchtet. Tatsächlich schon existierende Retro-Möpse und andere Züchtungen mit verbesserter Atmung müssen sich an einer Sache messen lassen: solange man die Atmung noch hört, oder bestimmte Problemfelder in der Behandlung noch feststellbar sind, passt es noch nicht wieder. Selbst wenn man durch geschicktes Kreuzen Probleme vermindern kann, ist da noch einiges zu tun.

Einige Tierärzte halten diese Rassen für verloren: es sei nicht genug Material für Neuzüchtungen vorhanden. Man müsste vorhandene Zuchttiere einsetzen, deren Fortpflanzung mit Risiken und Leiden verbunden wäre. Brachyzephale Hunde leiden nicht nur unter den Veränderungen im Kopfbereich, sondern haben häufig auch Veränderungen an Luftröhre und Bronchien und zudem eine deutlich höhere Rate an Komplikationen bei der Geburt.
Kurz gesagt: die Zucht mit solchen Tieren ist nicht mit dem heutigen Niveau des deutschen Tierschutzes zu vereinbaren.

Es gibt die Überlegung, anlässlich einer Brachyzephalen-Operation die Kastration des operierten Tieres zur Pflicht zu machen. Teilweise sind solche Operationen aus Gründen der Zuchthygiene kritisch zu sehen: Die Genetik verändert sich ja nicht, wenn ein Merkmal operativ verändert wird. Aus einem operierten Zuchtpaar entstehen wieder Tiere mit Atemgeräusch.
Vor kurzem wurde ich gefragt, ob es möglich sei, eine kieferorthopädische Korrektur bei den verformten Kiefern durchzuführen. Theoretisch wäre das sicher möglich. Tatsächlich dürften die Kosten immens sein und die Behandlung dürfte für das Tier unangenehm und anstrengend sein. Wie oben schon gesagt, lassen chirurgisch veränderte Merkmale das Tier bei der Exterieurbeurteilung besser aussehen als es tatsächlich genetisch ist. Will man also ein Merkmal züchterisch verändern, darf man es nicht operativ verändern … oder man muß die Veränderung in die Zuchtpapiere schreiben oder die operierten Tiere fortpflanzungsunfähig machen. Anders wäre es Betrug.

Lesen Sie im nächsten Beitrag, was unsere Hilfe und die Bemühungen der Züchter torpediert.
Maren Bestmann-Auchter, Tierärztin